Prof. Ulrike von Hirschhausen erläutert heute in der Süddeutschen Zeitung, dass staatliche Abspaltungen wie die kürzlich in Katalonien versuchte historisch selten Gutes bewirkt haben. Als negative Beispiele nennt sie den Kosovo (ein Land mit knapp 2 Mio. Einwohnern) und Nordzypern (eher ein Landkreis, etwas mehr als 300.000 Einwohner). Dagegen prosperieren Länder (ihr Beispiel: Quebec) oder größere Landkreise (ihr Beispiel: Südtirol), die nicht abgespalten wurden. Das sind Bemerkungen, denen ich mich sofort anschließen kann.
Was mir aber fehlt bei ihrer Argumentation, ist ein Gedanke, ob das für Abspaltungen jeglicher Größe zutrifft. Prof. von Hirschhausen ist Historikerin, deshalb wird sie zum Beispiel die Unabhängigkeitsbestrebungen in Südamerika Anfang des 19. Jahrhunderts kennen. Mich würde interessieren, ob sie die Abspaltungen Kolumbiens (heute knapp 50 Mio. Einwohner) oder Argentiniens (45 Mio.) von der spanischen Krone ähnlich kritisch bewertet. Oder ein noch ganz frischer Fall: Die Ukraine (43 Mio.) wird nach der Auflösung der Sowjetunion unabhängig. Aus meiner Sicht ist die nationale Selbstständigkeit solch großer Einheiten richtig und sinnvoll.
Stellt sich noch die Frage, wo man denn die Grenze ziehen soll zwischen Land (Unabhängigkeit nicht sinnvoll) und Staat (Unabhängigkeit sinnvoll). Mein Vorschlag wäre, dafür eine international anerkannte Größe zu definieren. Diese könnte auf einer „Basiszahl“ beruhen, die die Anzahl von Einheiten festlegt, die normalerweise in einer übergeordneten Einheit zusammengefasst werden. Nach einer Analyse der Verwaltungsstrukturen einer Vielzahl von Staaten, bei denen ich untersucht habe, wie viele Einheiten in der 1. (meist Länder) und 2. Ebene (oft Landkreise und kreisfreie Städte) unterhalb der staatlichen Ebene existieren, kalkuliere ich momentan mit 19 als Basiszahl. Damit komme ich also auf 19 * 19 = 361 als typische Zahl für einen Ortsteil, 19 hoch 3 = 6.859 als typische Zahl für eine Gemeinde usw. Ein normaler Landkreis hätte 130.321 Einwohner, ein Land 2,48 Mio. (19 hoch 5), ein Staat 47 Mio. (19 hoch 6).
Die Grenze zwischen Land und Staat ergäbe sich dann mathematisch am besten als 19 hoch 5,5, also 10,79 Mio. So viele Einwohner sollte ein Land also mindestens besitzen, um neu als Staat international anerkannt zu werden. Für Katalonien mit seinen 7,5 Mio. Einwohnern wäre demnach eine Stärkung der Autonomie innerhalb des spanischen Staates der bessere Weg. Dasselbe gilt auch für Schottland (5,3 Mio. Einwohner).
Ursprünglich veröffentlicht am 20.12.2017
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